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Hallo zusammen,
eine Beobachtung von gestern: Eine fast frische Pararge aegeria saugt wiederholt an Senecio inaequidens und sonnt sich zwischendurch auf dem sandigen Waldweg.
Ein Griff ins Bücherregal und ein Blick auf die Phänogramme in den einschlägigen Werken zu den Tagfaltern in verschiedenen Bundesländern: Richtig, der 24. Oktober für einen frischen Falter ist ungewöhnlich spät. Der Zustand der Falter ist in den Phänogrammen natürlich leider nicht ausgewiesen. Immerhin wird für zwei der Bundesländer jeweils eine November-Beobachtung im Text erwähnt.
Drei Generationen werden nur in der Pfalz als gängig eingestuft. Ansonsten wird eine dritte Generation als partiell oder als Ausnahme angesehen. Der letzte frische Falter am Niederrhein (vor dem Exemplar gestern) war mir dieses Jahr am 18. September begegnet. Wenn man den Einschätzungen in der Literatur folgt, darf ein frischer Falter in der zweiten Septemberhälfte als Angehöriger einer dritten Generation gewertet werden. Jeweils drei sehr abgeflogene Falter habe ich bei grenzwertigem Flugwetter hier immerhin noch am 11., 13. und 18. Oktober angetroffen, immer an denselben Stellen. Diese langlebigen und standorttreuen Exemplare wären dann die letzten Überlebenden der dritten Generation. Jetzt taucht am 24. Oktober nochmal ein einzelner frischer Falter auf, der bei entsprechender Witterung und etwas Glück im Alltag den November erreichen dürfte. Bei dieser Art werden die auseinandergezogenen und überlappenden Generationen ja auf die fakultativ als Raupe oder als Puppe mögliche Überwinterung zurückgeführt. Scheint so, als ob sich die nachvollziehbaren Unterschiede im Flugzeitbeginn der Frühjahrsgeneration über den Sommer nicht ausgleichen…..
Beim Blick in die Artkapitel ist mir nebenbei zum wiederholten Mal die Aussage zu den Blütenbesuchen aufgefallen. Die werden als sehr selten, selten oder ziemlich selten beschrieben. Was ist selten? Es entspricht jedenfalls nicht ganz meiner Erfahrung. Deshalb habe ich mal meine ausgewählten (also nur die ansehnlicheren, Belegfotos gibt es mehr) Aufnahmen von Pararge aegeria aus den letzten zehn Jahren durchgeblättert. Das ist natürlich ohne jede statistische Bedeutung, aber: Davon zeigen etwa ein Drittel den Falter beim Sonnen oder beim Ansitz auf Blättern, ein Drittel auf dem Boden oder auf irgendwelchen anderen Substraten (einschließlich dem Handrücken), und ein Drittel beim Nektarsaugen auf Blüten. Wirklich selten kann das also nicht sein. Allein die bildlich dokumentierten Saugpflanzen (mit Rüssel in der Blüte) sind:
Weide (Salix sp.), Löwenzahn (Taraxacum sp.), Hahnenfuß (Ranunculus sp.), Sumpfdotterblume (Caltha pallustris), Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata), Schafgarbe (Achillea millefolium), Wasserdost (Eupatorium cannabinum), Rainfarn (Tanacetum vulgare), Kanadische Goldrute (Solidago canadensis), und Schmalblättriges Greiskraut (Senecio inaequidens).
Dazu kommen reife Brombeeren, faule Äpfel und menschlicher Schweiß. Das lässt darauf schließen, dass Pararge aegeria keineswegs wählerisch ist und durchaus nicht selten Blüten besucht, sie nimmt einfach was da ist.
Herbstliche Grüße in die Runde,
Bernhard
Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Schermbeck, Üfter Mark, Waldrand an ehemaliger Sandgrube, 60 m, 24. Oktober 2021 (Freilandfoto: Bernhard Stoeckhert)
Bild 1: Saugend auf Senecio inaequidens
Bild 2: Saugend auf Senecio inaequidens (Blüte vollständig verdeckt)
Bild 3: Sonnenbad auf dem Waldweg
Bild 4: Habitat: Nektarangebot in erster Linie Senecio inaequidens, dazu spärliche Reste von Solidago canadensis und Tanacetum vulgare, vereinzelt Hieracium sp.. Begleitarten an diesem Wegabschnitt waren gestern nachmittag bei etwa 13 °C und leichtem Wind Lycaena phlaeas (7) und Aglais io (1).