Pyrgus Alveus

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Bestimmungshilfe / Schmetterlingsfamilien / Hesperiidae (Dickkopffalter)
EU M-EU 06912 Pyrgus alveus (HÜBNER, [1803]) - Sonnenröschen-Würfel-Dickkopffalter

1: Deutschland, Bayern, Oberbayern, Garchinger Heide, 29. Juni 1998 (Foto: Markus Schwibinger), det. Markus Schwibinger
2: Deutschland, Bayern, Mittelfranken, Hirschbachtal, 4. Juli 1998 (Foto: Markus Schwibinger), det. Markus Schwibinger
3, ♀: Schweiz, Jura, Undervelier, Kalk-Halbtrockenrasen, 620 m, 25. August 1991 (Foto: Rudolf Bryner), det. Rudolf Bryner
4: Schweiz, Bern, Juragebirge, Chasseral-Gipfel, 1600 m, 19. Juli 2008 (Freilandfoto: Jürgen Rodeland), det. Rudolf Bryner & Peter Sonderegger
5: Deutschland, Bayern, Dietersheimer Brenne, 460 m, 11. Juni 2011 (det. & Freilandfoto: Ron Kennel), conf. Markus Schwibinger [Forum]
6-7: Österreich, Tirol, Sankt Ulrich am Pillersee, 850 m, 20. Juni 2011 (fot.: Lothar Brümmer), det. Markus Schwibinger [Forum]
8-9: Deutschland, Baden-Württemberg, Schwäbische Alb, Umgebung Münsingen, Magerrasen, ca. 700 m, 3. Juli 2016 (det. & fot.: Jörg Döring), conf. Thomas Bamann [Forum]
10: Schweiz, Bern, Juragebirge, Chasseral-Gipfel, 1600 m, 22. August 2016 (Freilandfoto: Tina Schulz), det. Rudolf Bryner (als Pyrgus accretus)


Kopula

1-3: Deutschland, Baden-Württemberg, Mittlere Kuppenalb, NSG Halmberg bei Hohenstein-Oberstetten, 760 m, 19. Juli 2020, Tagfund (Freilandfotos: Thomas Gottschalk) [Forum]


Eiablage

1, an Helianthemum nummularium: Deutschland, Baden-Württemberg, Steinheim, 620 m, 1. Juli 2013 (det. & fot.: Rolf Prosi) [Forum]



Diagnose

Erstbeschreibung

HÜBNER ([1803]: pl. 92 figs. 461-463) [nach Copyright-freiem Scan auf www.biodiversitylibrary.org]

Später hierzu erschienener Text

HÜBNER ([1806]: 70) [reproduziert von Jürgen Rodeland nach Band im Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe]



Biologie

Habitat

1, lückiger, mit Felsen durchsetzter Halbtrockenrasen: Deutschland, Baden-Württemberg, Mittlere Kuppenalb, NSG Sternberg bei Hohenstein-Oberstetten, 760 m, 30. Juni 2011 (Foto: Thomas Bamann) [Forum]
2, mit Felsen durchsetzter, teilversaumter Halbtrockenrasen: Deutschland, Baden-Württemberg, Hohe Schwabenalb, vic. Albstadt-Ebingen, 880 m, 6. Juni 2010 (Foto: Thomas Bamann) [Forum]


Nahrung der Raupe

Pyrgus alveus scheint im großen Teil seines Verbreitungsgebiets zumeist am Gewöhnlichen Sonnenröschen (Helianthemum nummularium) zu leben und an diese Pflanze gebunden zu sein. So verglich NEL (1985) die Art in Südfrankreich mit P. bellieri (= P. foulquieri), die dort an mehreren Helianthemum-Arten ablegt, während er von P. alveus nur Ablage an Helianthemum nummularium ssp. grandiflorum registrieren konnte und P. alveus als Raupe selbst in der Zucht andere Helianthemum-Arten verweigerte.

Da die Art (zumindest wenn man die Taxa accreta und scandinavicus einschließt - aber auch in Gebieten ohne Sonnenröschen vorkommt, war schon lange vermutet worden, dass es auch zur Eiablage an Fingerkraut kommen muss. Dies hat sich mittlerweile bestätigt. Verstanden wurde es trotzdem nicht. W. WAGNER fasst auf seiner Artseite zusammen [Artseite auf pyrgus.de]: "Die Raupen befressen Helianthemum nummularium und seine Kleinarten. Bislang gelang hingegen kein Nachweis von H. alpestre. Nachweise von Potentilla beruhen eventuell (meist?) auf Verwechslungen mit ähnlichen Pyrgus-Arten, häufen sich aber im nördlichen Mitteleuropa und sollten weiter untersucht werden (Genetik). Zudem sind weitere Beobachtungen etwa vom Taxon accretus (lebt an Potentilla und Helianthemum) aus SW-Europa wünschenswert."

WEGNER (1996) studierte Pyrgus alveus in Niedersachsen in einer Region ganz ohne Helianthemum; und tatsächlich gelang ihm eine Eiablagebeobachtung an Potentilla erecta zu der er notierte: ": „Andere, nach der Fachliteratur in Betracht kommende, Eiablagepflanzen wachsen am Standort nicht.“ KUNA beobachtete dann auch in Thüringen eine Eiablage an Potentilla neumanniana. SOBCZYK & BOLZ (2006) fassten dann erstmals zusammen, was sich für Norddeutschland seither mehrfach bestätigt hat: "Durch Untersuchungen in Sachsen und Bayern konnte jedoch die Vermutung, dass in einigen Gebieten Potentilla-Arten die Nahrungsgrundlage für P. alveus bilden, bestätigt werden. Raupenfunde gelangen in Bayern an Potentilla tabernaemontani und in Sachsen an Potentilla argentea und P. reptans. Weitere Hinweise auf Populationen an Potentilla-Arten werden zusammengefasst und in Zusammenhang mit den aktuellen Untersuchungen gebracht. Es zeigte sich eine deutliche geografische Trennung im Nahrungsspektrum von P. alveus. Danach sind in Deutschland die nördlichen und östlichen Populationen an Potentilla gebunden, während die südlichen und westlichen Populationen ausschließlich an Helianthemum leben."

Durch die Literatur geisternde Angaben zu Agrimonia sind sehr wahrscheinlich, Angaben zu Polygala mit Sicherheit falsch. Letztere wurden durch VON HORNIG (1854: 17) in die Welt gesetzt, als er nach seiner Besprechung von Pempelia palumbella fortfuhr: "„Ich kann nicht umhin, hier zu erwähnen, dass ich im April 1853 auf einer üppigen Pflanze der Polygala Chamaebuxus zugleich mit Raupen von Palumbella zwei ausgewachsene Raupen von Syrichthus Alveus Hb. (Fritillum O.) fand ….“ HORNIG hatte es also nahezu sicher gar nicht mit Polygala chamaebuxus, sondern mit Helianthemum zu tun! Das änderte nichts daran, dass diese Angabe seither hundertfach abgeschrieben und um weitere Polygala-Arten ergänzt wurde.



Weitere Informationen

Etymologie (Namenserklärung)

„lateinisches Spielbrett.“
SPULER 1 (1908: 76L)


Andere Kombinationen

Synonyme


Faunistik, Taxonomie, Nomenklatur

Nach TSHIKOLOVETS (2011) wurden alleine aus Europa ca. 50 Taxa aus dem Pyrgus alveus-Komplex beschrieben - was zeigt, mit welchen Schwierigkeiten hier der Taxonom und der Faunist konfrontiert sind. Der Autor akzeptiert 6 Taxa auf Unterartniveau:

Alle diese Taxa wurden von anderen Autoren auch schon auf Artebene abgehandelt. Insbesondere die drei mitteleuropäischen Taxa mit sich überschneidenden Arealen wurden häufig als getrennte - aber am Individuum schwer trennbare - Arten angesehen: Pyrgus alveus, Pyrgus trebevicensis, P. accreta (siehe z.B. EBERT & RENNWALD 1991b).

Die umstrittenste „Art“ war und ist „Pyrgus trebevicensis“. BROCKMANN, E. & R. THUST (1993) akzeptieren P. accretus und P. trebevicensis - wenn auch mit Bedenken. SETTELE et al. (1999) akzeptieren P. accretus und P. trebevicensis - wenn auch ebenfalls mit Bedenken. Sie schreiben zu P. trebevicensis: "Diese Art ist schwer von P. alveus und P. accretus zu trennen (Brockmann, pers. Mitt.) ... Die Genitalpräparation ist unabdingbar und kann mit Ausnahme von P. alveus und P. accretus einer sicheren Abgrenzung gegenüber den übrigen Pyrgus-Arten dienen". Und bei P. alveus ist zu lesen: "Im Falle von P. accretus und P. trebevicensis sind überhaupt keine morphologischen Merkmale bekannt, die der Abtrennung gegenüber P. alveus dienen könnten. Selbst die Genitalpräparation ermöglicht keine ausreichend sichere Zuordnung zu einer dieser drei Arten (Brockmann pers. Mitt.; siehe auch EBERT & RENNWALD 1991b; vgl. aber RENNER 1991)".

SONDEREGGER (1997) akzeptiert für die Schweiz Pyrgus alveus, Pyrgus accretus und Pyrgus warrenensis. Pyrgus trebevicensis wird als "weitere Art" akzeptiert, die aber in der Schweiz nicht vorkommt. Nach seinen auf Genitaldetermination beruhenden Ergebnissen, sind P. accreta (Jura) und P. alveus (Alpen) in der Schweiz geographisch streng getrennt. Morphologische Unterschiede der Genitalien gibt es nicht nur beim Männchen, sondern auch beim Weibchen. P. alveus ist aus der Schweiz nur von Helianthemum bekannt, P. accreta nutzt hingegen Potentilla (neumanniana, sterilis) und Helianthemum. Unterschiede in der Morphologie der Eier sind nicht ausgeschlossen, bei den Raupen und Puppen wurden keine Unterschiede gefunden. Interessant ist, dass beiden Arten eine lange Flugzeit von Ende Mai bis in den Herbst hinein zugestanden wird, die von RENNER (1991 und in der Folge auch EBERT & RENNWALD 1991b) für Süddeutschland aufgestellte phänologische Trennung scheint hier also - wie schon in Baden-Württemberg - zu fehlen.

Auf dieser Basis kam es auch für P. trebevicensis immer wieder zu Erstnachweisen für einzelne Bundesländer, etwa von THUST & BROCKMANN (1993) für Thüringen oder GROS & EMBACHER (1998) für Salzburg, bei denen der Artstatus akzeptiert wurde. Andere Autoren akzeptieren die Taxa trebevicensis und accreta auch nicht als Subspezies, sondern sehen in ihnen reine Synonyme zu P. alveus. EBERT & RENNWALD (1991b) behandelten trebvicensis, RENNER (1983) folgend, auf Artebene, sie kamen aber zum Schluss: „Nach unserer Auffassung ist eine taxonomisch eindeutige Trennung mit Hilfe der männlichen Genitalstrukturen nicht möglich.“ Sie halten es für sinnvoll, in ihrer Fauna das Taxon erst einmal auf Artebene abzuhandeln, und „… gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß der Schlüssel zur Lösung dieses Problems wohl eher in der Aufklärung der (präimaginalen) ökologischen Verhältnisse der „spät … und früh fliegenden Tiere“ von P. alveus liegt, als in der Anfertigung weiterer Präparateserien.“

Die gewünschte „Aufklärung der (präimaginalen) ökologischen Verhältnisse“ erfolgte in umfassender Weise durch WAGNER (2002). Dieser stellte fest, dass früh- und spät fliegende Falter der Schwäbischen Alb – also einem Gebiet, in dem es beide „Arten“ geben soll – im gleichen Habitat an der gleichen Pflanzenart (Helianthemum nummularium) ablegen. Nach seinen Beobachtungen überlappen sich die Flugzeiten der Falter Mitte Juli doch deutlicher, als nach Auswertung älterer Sammlungsbelege vermutet. Als Regel konnte er herausarbeiten, dass die Falter bei wärmerem Regionalklima früher erschienen als bei etwas kühlerem und dass spät fliegende Falter bei Letzterem häufiger zu finden waren; Entsprechendes galt für Jahre mit unterschiedlich warmem April. Normales Überwinterungsstadium beider Arten scheint die Raupe im vorletzten Stadium (L4) zu sein. Raupen, die dieses Stadium schon früh erreichen, scheinen im nächsten Frühjahr schon früher wieder aktiv zu werden und sich Mitte bis Ende April zum letzten Raupenstadium zu häuten; Raupen, die dieses Stadium erst spät erreichen, bleiben im Frühjahr wesentlich länger inaktiv – sie ergeben also auch wieder später fliegende Falter. Sehr spät abgelegte Eier schaffen es je nach Jahr und Mikroklima vor dem Winter nicht mehr bis zur L4: Sie überwintern als L3 oder auch L2 und ergeben damit zwangsläufig wieder besonders spät fliegende Falter. WAGNERs (2002) Zuchten unter definierten Bedingungen machten alles noch komplizierter: Schon die Nachkommen eines einzigen Weibchens entwickelten sich unter identischen Zuchtbedingen sehr unterschiedlich schnell – und es kam zur Überwinterung in unterschiedlichen Larvalstadien – was dann dazu führt, dass auch Geschwister eine um Monate getrennte Flugzeit haben können. WAGNER (2002) fand auch bei den Präimaginalstadien (Eier, Raupen und insbesondere Puppen) der früh und spät fliegenden Falter keinerlei statistisch fassbaren morphologischen Unterschiede. Nach ausführlicher Diskussion kommt WAGNER (2002) zum Schluss: „Abschließend wird es am vernünftigsten sein, P. trebevicensis und P. alveus wieder unter dem prioritätsberechtigten taxon P. alveus zu vereinen.“

Die Sache mit P. accretus als eigenständiger Art könnte noch etwas komplizierter sein. Für Details bezüglich der Raupennahrung und der Raupen-Färbung sei hier auf WAGNER (2006) verwiesen, bzw. insbesondere auf die zugehörige PDF-Version mit Nachträgen nach Redaktionsschluss. Insgesamt deutet auch hier alles auf eine einzige weit zu fassende Art mit ökologisch großer Amplitude hin.

(Autor: Erwin Rennwald)


Publikationsjahr der Erstbeschreibung

Wir folgen den Angaben von HEMMING (1937: 229 und 177). Für die Tafel 92 gibt HEMMING als Zeitspanne, innerhalb der sie publiziert wurde, “[14th April 1800]-[July 1803]” an, für den Text 15. November 1806.

(Autor: Jürgen Rodeland)


Literatur


Informationen auf anderen Websites (externe Links)


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